Bäckermeister Heinrich Töller (r.) Efrem Abraha (l.) und Ibrahima Barry
Doris Kinkel-Schlachter
Bäckermeister Heinrich Töller (r.) ist ein Vorbild, wie es sie im Handwerk viele gibt und immer mehr geben soll. Der Aachener Handwerksunternehmer hat den Integrationspreis NRW erhalten, weil er sich in besonderer Weise für die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit ausländischer Herkunft einsetzt. Seine beiden Gesellen Efrem Abraha (l.) und Ibrahima Barry sind zwei von mehreren ausländischen Mitarbeitern bei Töller. Auch sie sind Vorbilder für Zugewanderte, die im Handwerk erfolgreich ihren Weg gehen und viel dafür tun, um hier integriert zu sein.

News vom 09.06.2022Sieben Nationen, 20 verschiedene Brote

„Integrationspreis Handwerk NRW“ für die „Töllerei“. Bäckermeister Heinrich Töller engagiert sich gerne.

Aachen. Anlässlich des bundesweiten 10. Diversity-Tags am 31. Mai zeichneten die Handwerkskammern in NRW und der Westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) aus Düsseldorf insgesamt sieben NRW-Handwerksbetriebe aus, die sich in besonderer Weise für die Integration in Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit ausländischer Herkunft einsetzen.

Für die Identifizierung haben die Handwerkskammern in NRW in ihren jeweiligen Bezirken recherchiert und die Preisträger und Preisträgerinnen ausgewählt. In NRW haben damit insgesamt sieben Handwerksbetriebe von ihrer Handwerkskammer die besondere Auszeichnung erhalten, die mit einem Preisgeld in Höhe von jeweils 500 Euro verbunden ist. Zudem hat jeder Betrieb für seine Integrationsleistungen eine Urkunde erhalten, welche die Integrationsleistungen würdigt und die gemeinsam von der jeweiligen Handwerkskammer, dem Westdeutschen Handwerkskammertag sowie dem NRW-Integrationsministerium ausgestellt wurde.

Für die Entscheider der Handwerkskammer Aachen war schnell klar, dass der Integrationspreis dieses Mal an Heinrich Töller geht, der die „Töllerei“ an der Jülicher Straße führt. Die Aachener Familienbäckerei, gegründet 1899, wird aktuell von ihm in der vierten Generation geleitet. In der zertifizierten Bio-Bäckerei werden die Produkte, unter anderem rund 20 verschiedene Brote, mit viel Handwerkskunst nach traditionellen Verfahren und Rezepturen hergestellt. Dabei werden ausschließlich Bio-Rohstoffe verarbeitet.

Georg Stoffels (l.) Präsident Marco Herwartz (r.)Heinrich Töller (2.v.r.) Efrem Abraha (2.v.l.) und Ibrahima Barry
Doris Kinkel-Schlachter
And the winner is: Die Bäckerei Töllerei ist mit dem Integrationspreis des Handwerks NRW ausgezeichnet worden. Georg Stoffels, Geschäftsführer für den Bereich Berufsbildung und Recht bei der Handwerkskammer Aachen (l.), und Präsident Marco Herwartz (r.) gratulierten Heinrich Töller (2.v.r.) sowie den beiden Gesellen Efrem Abraha (2.v.l.) und Ibrahima Barry.

Bäckermeister Töller bildet regelmäßig handwerklichen Nachwuchs aus und gibt dabei insbesondere zugewanderten Menschen eine Berufsperspektive. Diese Menschen erhalten bei dem Bäckermeister, der selbst schon viel herumgekommen ist in der Welt, unter anderem als Dozent oder Botschafter für die deutsche Brotkunst, einen Ausbildungsvertrag. Aber eben nicht nur das. Die Lehrlinge mit Migrationshintergrund werden im Betrieb in einem kollegialen Umfeld aufgenommen und finden sich so auf direktem Weg in die hiesige Kultur, Sprache und Arbeitswelt ein. „So funktioniert Integration. Und das Handwerk ist dankbar, hierdurch gute und dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen. Sie sind ein tolles Vorbild“, betonte Kammer-Präsident Marco Herwartz in einer kurzen Ansprache. 

Zuletzt haben zwei junge Männer aus Guinea und Eritrea, Ibrahima Barry und Efrem Abraha, das Bäckerhandwerk in der „Töllerei“ erlernt – beide hat Heinrich Töller als Gesellen übernommen. „Danke für die Integration“, sagte Ibrahima Barry und gewährte anschließend Einblicke in seinen Arbeitsalltag, in dem Menschen aus sieben verschiedenen Ländern zusammenarbeiten und auf Deutsch miteinander kommunizieren.

Sein Dank gilt auch seinem Chef, „er bringt Ruhe rein und motiviert zum Weitermachen“, so Barry. Denn so gut das deutsche Brot einerseits sei, so zermürbend könne die Bürokratie hierzulande sein. Und wenn dann die Nerven schon mal blank liegen aufgrund von Arbeitsvorgängen bei der Ausländerbehörde, bringt Heinrich Töller die nötige deutsche Gelassenheit mit, berichtet der Guineer. Und er sagte: „Ich reise für drei Wochen nach Guinea. Dort zeige ich, wie ich hier arbeite, aber auch, wie man hier miteinander umgeht, denn ich habe mir hier auch soziale Kompetenzen angeeignet.“

Aktuell bildet Bäckermeister Töller drei junge Auszubildende zu Bäckern aus, die aus ihren Heimatländern Afghanistan, Nigeria und Senegal geflüchtet und nach Deutschland gekommen sind. Sie legen voraussichtlich in diesem oder im nächsten Jahr die Gesellenprüfung ab. Der Kontakt zu den jungen Menschen konnte teilweise über Patenschaften aus der Stammkundschaft der Bäckerei hergestellt werden. Wie gut dieses Netzwerk funktioniert, konnte man am Tag der Vielfalt vor Ort sehen.

„Stellvertretend für den Vorstand und die Geschäftsführung der Handwerkskammer Aachen danke ich Ihnen herzlich für Ihr Engagement und gratuliere Ihnen zu dieser Auszeichnung. Mögen viele Betriebe Ihrem Beispiel folgen und erfolgreich gute Fachkräfte ausbilden, aus dem In- und Ausland“, würdigte Marco Herwartz den Einsatz des Aachener Bäckers.

Der Integrationspreis Handwerk NRW wird alle zwei Jahre von den Handwerkskammern und dem Westdeutschen Handwerkskammertag in Kooperation mit dem NRW-Integrationsministerium und der Charta-der-Vielfalt im Zeitraum des Diversity-Tags vergeben.



Joachim Stamp, NRW-Integrationsminister und stellvertretender Ministerpräsident

Joachim Stamp, NRW-Integrationsminister und stellvertretender Ministerpräsident: „Mich begeistert dieses Engagement persönlich sehr. Sie eröffnen damit jungen, talentierten Frauen und Männern eine gute Zukunftsperspektive und stärken damit auch unseren Wirtschaftsstandort, der dringend qualifizierte Fachkräfte braucht. Sie zeigen uns, was mit innovativen Ideen und Engagement alles möglich ist. Machen Sie bitte weiter so, wir brauchen Menschen wie Sie: Möglichmacher für eine Gesellschaft der Vielfalt und für ein starkes, innovatives Handwerk!“

Berthold Schröder, WHKT-Präsident:

Berthold Schröder, WHKT-Präsident: „Ob wir die Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Stabilität des Handwerks perspektivisch sichern können, ist maßgeblich davon abhängig, ob wir das Thema Fachkräftesicherung meistern. Wesentlich dafür: die Fachkräfteeinwanderung. Damit diese im Handwerk allerdings gut gelingt, brauchen wir einerseits die nötigen Unterstützungsstrukturen und leistbaren bürokratischen Prozesse, andererseits sind Betriebe notwendig, die sich auf den Weg machen und gemeinsam mit interessierten Fachkräften aus Drittstaaten die Chancen nutzen. Der Integrationspreis des Handwerks ist somit ein wichtiges Signal – insbesondere für die Fachkräftesicherung durch Zuwanderung im Handwerk.“

Matthias Heidmeier, WHKT-Hauptgeschäftsführer

Matthias Heidmeier, WHKT-Hauptgeschäftsführer: „Vor dem Hintergrund der fürchterlichen Krise in der Ukraine kommt unserer gemeinsamen Verantwortung im Handwerk für Integration, Miteinander, Vielfalt und interkultureller Sensibilität eine neue, eine zusätzliche Verantwortung zu. Das Handwerk bietet denjenigen eine berufliche Perspektive und Unterstützung, die sich diese wünschen und dafür bereit sind.“